Seit 1998 gibt es eine Schweizer Lebensmittelpyramide, die 2011 letztmals aktualisiert wurde. Eine Überarbeitung der Ernährungsempfehlungen wurde nötig wegen neuer Erkenntnisse der Wissenschaft. Sie erfolgte unter dem Lead des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE). Eine ausgewogene Ernährung trägt massgeblich zur Vorbeugung gegen Übergewicht und Fettleibigkeit bei. Ferner senkt sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Krebs.
Die neuen Empfehlungen berücksichtigen vier Dimensionen: bedarfsgerechte Nährstoffzufuhr durch vielfältige Lebensmittelauswahl, Gesundheitsförderung, Nachhaltigkeitsaspekte und das in der Schweiz übliche Essverhalten. Dazu Urs Stalder, Leitung Ernährung BLV: «Wir sollten beginnen, die Ernährung als Ökosystem zu betrachten, in dem Mensch, Tier und Umwelt gleichwertig berücksichtigt und respektiert werden.» Die neuen Ernährungsempfehlungen fördern gemäss dem BLV die Gesundheit auch, indem sie den Fokus auf frische Lebensmittel legen statt auf verarbeitete mit langen Zutatenlisten.
Pflanzliche Kost bevorzugt
Nachhaltigkeitsaspekte haben grossen Einfluss: Pflanzliche Proteine wie Hülsenfrüchte werden gegenüber den tierischen wie Fleisch und Fisch priorisiert. Bei den Kohlenhydraten liegt der Fokus vermehrt auf Vollkornprodukten. Weiterhin wird eine breite Auswahl an saisonalen und regionalen Früchten und Gemüse empfohlen – die Faustregel «fünf Portionen am Tag» bleibt bestehen.
Da nun auch ökologische Kriterien in die Empfehlungen einfliessen, können zwischen Gesundheit und Umweltschonung Synergien entstehen, aber auch Zielkonflikte. Die wichtigste Synergie ist die generelle Bevorzugung der pflanzlichen Kost, was beiden Zielen dient. Bei einzelnen Lebensmitteln entstehen aber Konflikte: Nüsse sind gesundheitlich empfohlen, aber sie haben hohe Umweltbelastungswerte bei der Agrarproduktion. Auch Fisch ist gesund dank seiner Mikronährstoffe (besonders Jod und Selen) sowie Omega-3-Fettsäuren, belastet aber die Umwelt stark. Hier fällt die Nachhaltigkeit (Überfischung) stark ins Gewicht.
Soll-Ist-Vergleiche der Konsummengen
Die Schweizer Ernährungserhebung «MenuCH» zeigt, dass sich die Bevölkerung unausgewogen ernährt. Süsses und Salziges werden deutlich mehr konsumiert als empfohlen. Wiederum essen nur rund 18 Prozent der Bevölkerung die täglich empfohlenen fünf Portionen Früchte und Gemüse, welche wichtig sind wegen der gesunden Nahrungsfasern.
Und der Soll-Ist-Vergleich zeigt grosse Diskrepanzen beim Fleischkonsum. Gemäss BLV beträgt er mit täglich circa 111 Gramm am Tag dreimal so viel wie empfohlen. «Hingegen werden Milchprodukte etwas zu wenig verzehrt, nämlich rund zwei Portionen täglich anstelle der empfohlenen zwei bis drei», sagt Stalder. «Zu tief ist auch der Anteil an Hülsenfrüchten sowie pflanzlichen Ölen und Nüssen. Derjenige der tierischen Fette ist dagegen zu hoch.»
Viele verarbeitete Lebensmittel enthalten zu viel Zucker, auch solche, die als gesund gelten, wie beispielsweise Fruchtsäfte. Diese erscheinen daher nicht mehr in der neuen Pyramide (sie wären an der Spitze zu platzieren). Dauerhaft zu viel Zucker kann der Gesundheit schaden.
Das BLV schätzt, dass die Schweizer Bevölkerung doppelt so viel Zucker konsumiert wie empfohlen, nämlich circa 100 Gramm am Tag.
Mehr Hülsenfrüchte, weniger Fleisch
Eine wichtige Änderung betrifft die proteinhaltigen Lebensmittel. Die pflanzlichen Proteinlieferanten werden jetzt stärker betont. Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen, rote, weisse Bohnen werden vor Eiern und Fleisch genannt. Bei den Erläuterungen wird auch auf Tofu, Tempeh oder Seitan verwiesen. Die konkreten Empfehlungen dazu: täglich eine Portion eines proteinreichen Lebensmittels. Über eine Woche hinweg zwischen den verschiedenen Proteinquellen abwechseln: Hülsenfrüchte, Tofu, Eier, Fleisch, Fisch und weitere. Mindestens einmal pro Woche Hülsenfrüchte.
Haushaltmässig zubereitetes Frischfleisch ist zwar gesund, dennoch wird wie bisher zu einem sparsamen Konsum geraten: maximal zwei- bis dreimal pro Woche Fleisch inklusive Geflügel und verarbeiteten Fleisches. Eine Portion entspricht 100 bis 120 Gramm Fleisch. In der neuen Pyramide fällt auf, dass kein rotes Fleisch mehr abgebildet ist, sondern neu Pouletbrust (weisses Fleisch). Anders als andere aktuelle Empfehlungen rät das BLV nicht konkret, rotes Fleisch zu vermindern. Aber es rät dazu (ebenfalls wie bisher), den Konsum von hoch verarbeitetem Fleisch einzuschränken. In den Details steht, man solle zwischen verschiedenen Fleischsorten (Geflügel, Rind, Schwein) und verschiedenen Fleischstücken («Nose to Tail»-Prinzip) abwechseln. Und möglichst selten, das heisst maximal einmal pro Woche, hoch verarbeitetes Fleisch wie Cervelat, Salami oder Schinken essen.
Wie können Care-Gastrobetriebe bei ihren Gästen eine Verhaltensänderung herbeiführen und so etwa den Fleischkonsum senken? Professor Dominic Lemken von der Universität Bonn empfiehlt, zunächst Umfragen durchzuführen, um herauszubekommen, ob kleinere Portionen als Standard auf Akzeptanz stossen. «Wenn die Gäste das nicht möchten, kann das Personal bei der Essensausgabe gezielt nach Fleischportionsgrössen fragen – dann verprellt man niemanden.» Er konstatierte in einer Studie, dass durch die aktive Nachfrage («Wie viel Fleisch möchten Sie?») der Anteil bestellter reduzierter Portionen auf fast 39 Prozent stieg. Wenn nur auf Wunsch mehr Fleisch geschöpft wurde, stieg diese Zahl auf über 90 Prozent.
Die neuen Ernährungsempfehlungen
Getränke: regelmässig trinken. Am besten Wasser. 1–2 Liter am Tag.
 Früchte und Gemüse: bunt und saisonal. 5 Portionen am Tag.
 Getreideprodukte und Kartoffeln: Vollkornprodukte bevorzugen. 3 Portionen am Tag.
 Milchprodukte: am besten ungezuckert. 2–3 Portionen am Tag.
 Hülsenfrüchte, Eier, Fleisch und Weiteres: abwechseln. Regelmässig Hülsenfrüchte. 1 Portion am Tag.
 Nüsse und Samen: täglich in kleinen Mengen. 1 kleine Handvoll am Tag.
 Öle und Fette: pflanzliche Öle bevorzugen. 2 Esslöffel am Tag.
 Süssgetränke, Süsses, salzige Snacks (optional): in kleinen Mengen. 0–1 Portion am Tag.
 (Tägliche Verzehrempfehlung pro Lebensmittelgruppe [Stufe] in der Lebensmittelpyramide)
 
					