Die neuen Empfehlungen des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV beinhalten mehr pflanzliche Kost, auch für die Deckung des Proteinbedarfs. Dies vor allem aus Gründen der Nachhaltigkeit. In der Tat sind sie viel ökologischer als tierische Lebensmittel. In der neuen Lebensmittelpyramide sind nun Hülsenfrüchte als Proteinlieferanten genannt (früher erschienen sie bei den Sättigungsbeilagen). Linsen, Kichererbsen, Bohnen etc. werden sogar vor Eiern und Fleisch genannt. Bei den Erläuterungen wird auch auf Tofu und Tempeh verwiesen. Die konkrete Empfehlung dazu: Mindestens einmal pro Woche Hülsenfrüchte. Eine Portion entspricht 60 g rohen Hülsenfrüchten oder 120 g Tofu – analog zu 100–120 g Fleisch oder einer entsprechenden Portion Milchprodukte.
Hülsenfrüchte haben Vorteile, aber auch Nachteile für die Ernährung: Sie liefern nebst Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen auch wertvolle Nahrungsfasern und sekundäre Pflanzenstoffe wie Saponine, Phytosterine, Isoflavone und Polyphenole. Bemerkenswert ist der hohe Nahrungsfasergehalt bis 22 Prozent (bei Soja, allerdings getrocknet). Viele enthalten fast kein Fett. Eine Ausnahme ist Soja mit 37 Prozent.
Bedingt gute Fleischalternativen
Da Hülsenfrüchte neu als Fleischalternativen eingestuft werden, sollten sie genug hochwertige Proteine liefern. Aber einige enthalten weniger Protein als Fleisch (z. B. Pouletbrust: 23%) und es hat tendenziell eine geringere biologische Wertigkeit als tierisches. Sie beträgt beispielsweise bei Linsen nur 60 Prozent und bei Bohnen 72 Prozent, bei Soja immerhin 96 Prozent. Zum Vergleich: Vollei 100 Prozent, Molkenprotein 104 Prozent, Rindfleisch 80 Prozent , Thunfisch 92 Prozent.
Dazu Urs Stalder, Leitung Ernährung BLV: «Bei abwechslungsreicher Ernährung mit einer Vielzahl von pflanzlichen und tierischen Proteinquellen ist das Risiko einer unzureichenden Aminosäurenzufuhr unwahrscheinlich. Denn durch die Kombination verschiedener pflanzlicher Proteinquellen, etwa Hülsenfrüchte und Getreide, über den Tag hinweg können fehlende essentielle Aminosäuren aus bestimmten pflanzlichen Quellen ausgeglichen werden.» Beispiele guter Kombinationen: 55 Prozent Kartoffel + 45 Prozent Soja ergeben 103 Prozent biologische Wertigkeit, oder 52 Prozent Bohnen + 48 Prozent Mais ergeben 101 Prozent.
Hülsenfrüchte haben weitere Nachteile: Viele sind schwer verdaulich, können Blähungen sowie Flatulenz verursachen und erfordern eine lange Einweichsowie Kochzeit. Dazu Stéphanie Bieler, Fachexpertin Ernährung bei der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE: «Hülsenfrüchte enthalten grössere Mengen an Oligosacchariden, d. h. Nahrungsfasern, die im Dünndarm nicht abgebaut werden. Erst im Dickdarm werden sie durch die dortigen Bakterien fermentiert, wodurch Gase entstehen, was zu Blähungen führen kann.» Kleine, geschälte Hülsenfrüchte wie z. B. Linsen seien in der Regel besser verträglich.
Und der Darm könne sich an Hülsenfrüchte gewöhnen. Sie rät daher Caregastro- Köchen, mit eher kleinen Mengen an Hülsenfrüchten zu starten und diese kontinuierlich zu erhöhen.
Aufwendige Verarbeitung
Ausserdem spielt die Verarbeitungsmethode eine Rolle für die Verträglichkeit: Dazu Bieler: «Beim Einweichen geht ein Teil der blähungsfördernden Stoffe ins Einweichwasser über. Dieses wird deshalb mit Vorteil nicht weiterverwendet.» Getrocknete Hülsenfrüchte sollte man rund acht Stunden in der dreifachen Menge Wasser einweichen und anschliessend in Wasser mit etwas Salz kochen und weitere 30 Minuten nachquellen lassen. Einweichen verkürzt die ansonsten sehr lange Kochzeit. Linsen müssen nicht eingeweicht werden. «Auch Pürieren scheint für eine bessere Verträglichkeit zu sorgen », so Bieler: «Und in der Volksmedizin werden Fenchelsamen, Ingwer, Kümmel und Koriander verdauungsfördernde Eigenschaften zugeschrieben.»
Salz beschleunigt den Kochprozess, aber auch Natron (Natriumbicarbonat). Dieses kann man sowohl ins Einweichwasser als auch beim Kochen zugeben. Allerdings zerfallen die Hülsenfrüchte dann leicht. Das alkalische Natron löst das Zellwandpektin schneller auf. So können die Hülsenfrüchte mehr Wasser aufnehmen. Es wirkt ausserdem als Wasserenthärter. Zu hartes, kalkhaltiges Wasser kann bewirken, dass die Hülsenfrüchte auch beim Kochen hart bleiben. Das Einweichwasser sollte immer abgegossen werden, da sich schwer verdauliche Stoffe darin befinden. Das Kochwasser hingegen ist wertvoll.
Hülsenfrüchte sollten nicht roh gegessen werden, sondern gut gegart. Sekundäre Pflanzenstoffe wie Lektine, Protease-Inhibitoren, Phytinsäure und Tannine können unverträglich oder gar gesundheitsschädlich sein, werden aber beim Zubereiten inaktiviert.
Hülsenfrucht-Convenienceprodukte im Trend
Die Industrie und mehrere Start-up-Firmen stellen aus Hülsenfrüchten Halbfabrikate und verzehrfertige Produkte her. Ein Beispiel ist das Zürcher Start-up Fabas Food, das Bohnen sowie Erbsen verarbeitet und sogar in der Schweiz Kichererbsen anbaut. Bereits seit einiger Zeit gibt es Sojahalbfabrikate wie Flocken, Granulat, Mehl und texturierte Extruderprodukte, etwa von E. Zwicky oder Morga. Diese Firmen sind auch auf rohe Hülsenfrüchte spezialisiert. Zwicky lancierte als Neuheit ein Linsen-Couscous. Das bekannteste Hülsenfrüchteprodukt ist Tofu (Sojaquark), hergestellt durch Gerinnung der Sojamilchproteine. Das Ostschweizer Start-up Ensoy produziert verschiedene Varianten aus Thurgauer Biosoja.
Höherer Fettanteil durch Frittieren
Weitere bekannte und beliebte Produkte sind Falafel und Hummus, beide aus Kichererbsen hergestellt. Falafel enthalten rund 8 Prozent Protein und 7 Prozent Nahrungsfasern, aber mit 12 Prozent relativ viel Fett durch das Frittieren. Die Nährwerte für Hummus sind ähnlich: Protein 7 Prozent, Nahrungsfasern 5 Prozent und Fett 16 Prozent. Für Falafel und Hummus gibt es mehrere Hersteller. Erwähnt sei Vegetarian Quality, welcher Falafel auch als Patty oder Medaillon aus regionalen Rohstoffen anbietet. Heute werden Hülsenfrüchte immer mehr als vorgekochte verzehrfertige Frischprodukte angeboten. Hilcona lancierte kürzlich eine Hummusvariante aus Schweizer Gelberbsen. Und «The Green Mountain» offeriert die neuen Swiss Chunks, eine vegane Pouletalternative aus Erbsen- und Weizenprotein, bestehend aus reinen Schweizer Zutaten. Sie enthalten 18 Prozent Protein, nur 1 Prozent Fett und 5 Prozent Nahrungsfasern dank Zusatz von Sojafruchtfleisch (Okara).
