Der demografische Wandel, die steigende Zahl von Patientinnen und Patienten und die zunehmende Komplexität der Pflege erfordern innovative und erweiterte Rollen für Pflegepersonen. Eine zukunftsweisende Entwicklung ist die Akademisierung in der Pflege und den damit verbundenen neuen Aufgaben von Pflegefachpersonen, wie sie beispielsweise Pflegeexpertinnen und -experten übernehmen.
Damit Pflegeexpertinnen und -experten ihr Wissen optimal in die Praxis einbringen können, sind der Zugang zu wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen und die Möglichkeit zur Vernetzung bedeutend. Zu den Aufgaben von Pflegeexpertinnen und - experten gehört es, neues Wissen zu generieren und bestehendes Wissen in die Praxis umzusetzen. Dazu zählen unter anderem das Lesen und Sichten von Literatur, die Übersetzung dieser in eine evidenzbasierte Praxis und die zielgerichtete Weitergabe des Wissens an Mitarbeitende in der Pflege, beispielsweise in Form von Pflegestandards bzw. -konzepten (van Hecke et al., 2019). Das Ziel von evidenzbasiertem Arbeiten in der Pflege ist es, Forschungsergebnisse zur Anleitung der klinischen Praxis und zur Veränderung bzw. Verbesserung der Pflegepraxis zu nutzen (Baldwin et al., 2013).
Warum evidenzbasierte Praxis?
Pflegefachpersonen treffen täglich eine Vielzahl von Entscheidungen, die Veränderungen bewirken und zur bestmöglichen Versorgung der Patientinnen und Patienten beitragen können. Sowohl bei alltäglichen Entscheidungen als auch bei neuen und komplexen Herausforderungen spielt eine evidenzbasierte Pflegepraxis (engl. Evidence-based Nursing; kurz EBN) eine zentrale Rolle. Als ein Aspekt von EBN bilden die beruflichen Erfahrungen und das Fachwissen der Pflegefachpersonen die Grundlage für die meisten pflegerischen Entscheidungen. Gleichzeitig orientieren sich pflegerische Entscheidungen an den Bedürfnissen, Präferenzen und Werten der pflegebedürftigen Person sowie den vorhandenen Umgebungsbedingungen bzw. Ressourcen. Ergänzend dazu gewährleistet die kontinuierliche Integration wissenschaftlicher Erkenntnisse, dass pflegerische Entscheidungen stets aktuell und evidenzbasiert getroffen werden (siehe Abbildung) (Latteck & Seidl, 2022; Behrens & Langer, 2022).
Die Umsetzung von EBN wird durch verschiedene förderliche und hinderliche Faktoren beeinflusst. Eine hohe klinische Relevanz und eindeutige Ergebnisse erleichtern die Anwendung, während widersprüchliche oder schwer zugängliche Forschungsergebnisse die Umsetzung in der Praxis erschweren können. In der Arbeitsumgebung fördern Gruppenzusammenhalt, Wertschätzung von EBN und organisatorische Unterstützung die Nutzung evidenzbasierter Ansätze, wohingegen Zeitmangel und fehlende Ressourcen hinderlich wirken. Zudem spielen die Pflegefachpersonen selbst eine zentrale Rolle: Eine fundierte akademische Ausbildung, Schulungen zur Literaturrecherche und Erfahrung mit EBN fördern die Umsetzung, während mangelndes Wissen, fehlendes Interesse oder Unsicherheiten den Theorie-Praxis-Transfer erschweren können (Li, Cao & Zhu, 2019).
Beim Zugang und der Nutzung von Forschungsergebnissen als Teil von EBN unterstützt FIT-Nursing Care.
FIT-Nursing Care als Brücke zwischen Theorie und Praxis
Die Wissensplattform FIT-Nursing Care stellt den forschungsbasierten Stand des Wissens zu pflegerischen Fragestellungen in bewerteter, wissenschaftlich begründeter und praxisnaher Form bereit. Bei FIT-Nursing Care werden englischsprachige Studien ins Deutsche übersetzt, zusammengefasst und die Güte der methodischen Qualität wird bewertet. Klinische Fragestellungen aus der Pflegepraxis werden durch eine schnelle Literatursuche beantwortet. Diese Tätigkeiten übernehmen Expertinnen und Experten aus der Gesundheits- und Pflegeforschung, die am Institut für Gesundheitswissenschaften an der OST – Ostschweizer Fachhochschule arbeiten. FIT-Nursing Care bietet zudem individuelle Coachings rund um das Thema EBN (bspw. Fragestellung formulieren, systematische Literatursuche etc.) an (Vetsch et al., 2022) und leistet somit einen Beitrag zur Unterstützung der EBN.
Warum Vernetzung zwischen Pflegefachpersonen?
Die Vernetzung und der Austausch zwischen den Institutionen des Gesundheitswesens und den dort tätigen Pflegefachpersonen ist eine Voraussetzung für eine gute und integrierte Versorgung. Dies gilt insbesondere für die Pflegeexpertinnen und -experten, die als Drehscheibe in den verschiedenen Abteilungen für die Kommunikation und Vernetzung innerhalb und ausserhalb der eigenen Berufsgruppe angesehen werden und für die Generierung und Implementierung von evidenzbasiertem Wissen in die Pflegepraxis zuständig sind. Bei der Vernetzung ausserhalb der Institution steht die Kommunikation mit Pflegeexpertinnen und -experten in anderen Institutionen und Organisationen im Fokus, um relevante Informationen auszutauschen, zu diskutieren und bei mangelnder externer Evidenz auf diese Erfahrungen und Expertenmeinungen zurückzugreifen (Baldwin et al., 2013).
Ziel von NurseConnect ist es, den fachlichen Austausch von Pflegeexpertinnen und -experten zu fördern. Frage- und Problemstellungen aus der Praxis können gemeinsam angegangen und beantwortet werden. Zur Beantwortung können Erfahrungswissen, aber auch vorhandene Leitlinien und Konzepte ausgetauscht werden. Durch den verstärkten fachlichen Austausch zwischen verschiedenen Institutionen, das Teilen von Wissen und die settingübergreifende Zusammenarbeit können knappe Ressourcen geschont werden und die integrierte Versorgung über Settings hinweg kann unterstützt werden.
Fazit: Fortschritt trotz traditioneller Strukturen
Pflegeexpertinnen und -experten mit vertieften Kompetenzen in Kombination mit digitalen Wissens- und Vernetzungsplattformen wie FITNursing Care und NurseConnect können einen Wandel des Pflegeberufes herbeiführen hin zu einer evidenzbasierten und vernetzten Pflegeversorgung. Die Etablierung neuer Pflegerollen in der Pflegeversorgung soll vorangetrieben werden, um eine Anpassung an den internationalen Status der Pflege (z. B. akademisierte Pflege, EBN) zu erreichen (Müller, Strunk-Richter & Denninger, 2022) und die Pflegequalität sowie die Patientenzufriedenheit zu gewährleisten.
❱ Link zu FIT-Nursing Care: www.fit-care.ch
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Prof. Dr. Janine Vetsch, Dozentin am Institut für Gesundheitswissenschaften IGW, OST – Ostschweizer Fachhochschule
Magdalena Vogt, MScPH, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Gesundheitswissenschaften IGW, Ost – Ostschweizer Fachhochschule
Literatur
*Da keine allgemeingültige Definition von Pflegeexpertinnen und -experten besteht, verstehen wir darunter Pflegefachpersonen mit einem Masterabschluss (z. B. Advanced Practice Nurse, kurz APN) im pflegerelevanten Bereich und einer Tätigkeit in  der Pflegepraxis- und forschung und/oder Pflegefachpersonen mit einem Diplom- oder Bachelorabschluss plus Fachverantwortung in der Pflegepraxis (=Fachleitung; Fachspezialist:in, Fachverantwortung).
 Baldwin, R.; Duffield, C. M.; Fry, M.; Roche, M.; Stasa, H. & Solman,A. (2013): The role and functions of Clinical Nurse Consultants, an Australian advanced practice role: a descriptive exploratory cohort study. In International journal of nursing studies 50 (3), S. 326–334. DOI: 10.1016/j.ijnurstu.2012.09.013. Behrens, J. & Langer, G. (2022). Evidence-based Nursing and Caring. Methoden und Ethik der Pflegepraxis und Versorgungsforschung (5. Aufl.). Hogrefe: Bern. fmc – Schweizer Forum für Integrierte Versorgung (2014). Denkstoff N°1. Trendszenarien integrierte Versorgung Schweiz. Zugriff am 20.11.2023. Verfügbar unter https://www.fmc.ch/_Resources/Persistent/90dc9247713202cb0c3ad- 1d174e972ca4dac56bd/Denkstoff_de_No1.pdf
 Latteck, Ä-D. & Seidl, N. (2022). Evidence-basiertes Pflegehandeln.Entwicklung professioneller Handlungskompetenz. Kohlhammer: Bielefeld. Li S., Cao M., Zhu X. Evidence-based practice: Knowledge, attitudes, implementation, facilitators, and barriers among community nurses-systematic review. Medicine (Baltimore). 2019 Sep;98(39):e17209. DOI:10.1097/MD.0000000000017209 Müller, K. S., Strunk-Richter, G. & Denninger, N-K. (2022). Rollen und Aufgaben einer Advanced Practice Nurse (APN): Ein Rapid Review. Pflegewissenschaft( 1),24, DOI: 10.3936/12103
 van Hecke, A.; Goemaes, R.; Verhaeghe, S.; Beyers, W.; Decoene, E. & Beeckman, D. (2019): Leadership in nursing and midwifery: Activities and associated competencies of advanced practice nurses and midwives. In Journal of nursing management 27 (6), S. 1261–1274. DOI: 10.1111/jonm.12808.
 Vetsch, J., Haug, S. & Vosseler, B. (2022). Methodenpapier FIT-Nursing Care – Version 2.1 Stand April 2022. St. Gallen. Abgerufen von: https://www.fit-care.ch/fit-nursing-care/methodik
 
					