Ziel hier ist, die Pflege etwas genauer vorzustellen und vor allem ihre Wertschöpfung aufzuzeigen. Pflege ist ein wichtiger Teil im Gesundheitswesen und umfasst die grösste Gruppe der Gesundheitsfachpersonen. Jedoch bleibt der Beitrag der Pflege oft etwas schwammig, insbesondere, wenn es um die Wertschöpfung geht. Grund dafür könnte sein, dass noch einiges an Unklarheit darüber herrscht. Nachfolgend soll – basierend auf bestehender Literatur – die Wertschöpfung der Pflege herausgearbeitet und dargestellt werden. So können entsprechende Empfehlungen formuliert werden.
Einführung
Hat jemand ein Gesundheitsproblem, stehen oft ärztliche Fachpersonen am Anfang, besonders um die Diagnose zu stellen und die Behandlung festzulegen. In vielen Fällen ist dabei auch eine Pflegefachperson involviert. Grundsätzlich hat jede und jeder eine Vorstellung der Pflegearbeit: Unterstützen beim Aufstehen oder Herumgehen, Anleiten bei der Medikamenteneinnahme und Ähnliches. Warum aber ist diese Arbeit so wichtig in der Gesundheitsversorgung? Dieser Frage wird nachfolgend nachgespürt.
Aktuelle Zahlen und Fakten zu Pflege in der Schweiz
In der Schweiz sind rund 185 600 Personen in der Pflege und Betreuung tätig (Merçay et al., 2021). Darunter finden sich Personen mit folgenden Ausbildungen: Pflegefachpersonen mit einem Abschluss an der Höheren Fachschule HF oder einem Bachelorabschluss der Fachhochschule FH (Tertiärstufe), Fachpersonen Gesundheit (Sekundarstufe) sowie weitere Personen mit/ohne/ mit anderen Ausbildungen (Merçay et al., 2021). Personen mit einem HF- oder FH/Bachelorabschluss sind die sogenannten diplomierten Pflegefachpersonen. Ihr Kompetenzbereich ist im Gesundheitsberufegesetz geregelt (siehe: https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2020/16/de). Diese Fachpersonen sollen qualitativ hochstehende, wirksame, zweckmässige und wirtschaftliche Pflege bieten, basierend auf gesicherten wissenschaftlichen Kenntnissen. Beide Abschlüsse – FH und HF – lassen sich auf Niveau 6 des Nationalen Qualifikationsrahmens einordnen (siehe: https://www.sbfi.admin.ch/sbfi/de/home/bildung/mobilitaet/nqr/das-vorgehen-zur-einstufung.html). Abschlüsse auf Sekundarstufe (I und II) umfassen die Grundbildungen Fachangestellte Gesundheit FaGe (3–4-jährige Lehre) oder Assistierende Gesundheit und Soziales EBA AGS (2-jährige Lehre). Die Ausbildungen fokussieren auf die Übernahme oder teilweise Unterstützung der Aktivitäten des täglichen Lebens wie Waschen, Ankleiden und Essen bei Menschen allen Alters mit und ohne Gesundheitsprobleme. Ihr Wissen zu Erkrankungen und damit verbundenen Symptomen ist weniger ausgedehnt und tiefgehend als jenes von Pflegefachpersonen mit FH- oder HF-Abschluss.
Grundsätzlich ist die Zahl an Personen in Pflege und Betreuung zwischen 2010 und 2019 um rund 19 Prozent angewachsen. Dabei verzeichnen Spitäler eine Zunahme um 13 Prozent, Alters- und Pflegeheime weisen 17 Prozent Wachstum aus und in der Spitex sind es 39 Prozent. Grund dafür sind die Absolventinnen und Absolventen der Grundbildungen (i. e., FaGe und AGS) (Merçay et al., 2021, S. 96). Im Gegensatz dazu belaufen sich die vorzeitigen Berufsausstiege auf über 40 Prozent jährlich. Personen unterschiedlichen Alters steigen aus den Bereichen Pflege und Betreuung aus. Jedoch treten unter den 35–44-jährigen über 40 Prozent aus dem Beruf aus. Gründe für den vorzeitigen Berufsausstieg sind vielfältig. Dazu gehören Burn-out, Ungleichgewicht zwischen Aufwand und Anerkennung, Unvereinbarkeit zwischen Familie und Beruf, aber auch hoher emotionaler Berufsstress (Hämmig, 2018). Tatsächlich führen Burn-out sowie Unvereinbarkeit von Familie und Beruf zu höherem Stress, geringerer Zufriedenheit im Beruf und somit auch zu einem erhöhten Wunsch, den Beruf vorzeitig zu verlassen. Einige Fachpersonen haben dadurch auch Einbussen in ihrem Allgemeinbefinden, zeigen Burn-out-Symptome und reduzierte Schlafqualität (Peter et al., 2020). Dazu gehört auch, dass Pflegepersonen oft die erwartete Qualität der Pflege aus Zeitmangel nicht durchführen können wie eine angepasste Körperpflege oder weiterführende Gespräche mit Patientinnen und Patienten und Bewohnenden in Alters- und Pflegeheimen (Merçay et al., 2021, S. 78). Vermutungen bestehen, dass die COVID-19-Pandemie diesen Trend noch verstärkt hat (Bundesamt für Gesundheit, 2024). 2023 hat der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) die Allokation der finanziellen Mittel in der akuten Gesundheitsversorgung, i. e. im Spitalbereich, untersucht. Dabei zeigt sich, dass die Vollzeitäquivalente (VZÄ) zwischen 2010 und 2019 für ärztliche wie pflegerische Fachpersonen gestiegen sind. Jedoch sind die VZÄ der ärztlichen Fachpersonen um 41 Prozent gewachsen, während jene der pflegerischen Fachpersonen lediglich um 19 Prozent. Werden die VZÄ der diplomierten Pflegefachpersonen untersucht, zeigt sich lediglich ein Wachstum von 13 Prozent (Bosshard, 2023; Camenzind, 2024).
Um die Versorgung durch ausreichend Fachpersonen der Bereiche Pflege und Betreuung zu gewährleisten, sind in der nahen Zukunft mehr als 30 000 weitere Personen nötig. Dabei wird die Spitex rascher wachsen und somit bald rund 19 Prozent mehr Fachpersonen benötigen. Aber auch im Bereich der Alters- und Pflegeheime geht eine Berechnung von rund 26 Prozent mehr benötigtem Personal aus und in den Spitälern von 14 Prozent. Gemäss Merçay et al. (2021, S. 100) sind dabei 15 900 Personen mit einer Tertiärausbildung nötig, 12 600 Personen mit Ausbildungen auf Sekundarstufe und immer noch 8000 Personen ohne formalen Bildungsabschluss (Merçay et al., 2021, S. 100). Dabei gestaltet sich die Rekrutierung als schwierig und Massnahmen, um die Attraktivität der Arbeit in den Bereichen Pflege und Betreuung zu verstärken, sind dringend nötig. Nur so können junge Einsteigende in dieses Berufsfeld gefunden und kann der Verbleib gestärkt werden.
Definition von Pflege
Der Begriff Pflege wird häufig verwendet und löst verschiedene Assoziationen aus. Vermutlich wird der Begriff auch unterschiedlich verstanden. Für die hier begutachteten Aspekte ist es nötig, den Begriff auch aus Sicht der Pflege und Pflegewissenschaft darzulegen.
Pflege ist einerseits eng an die Entwicklungen in der Medizin gekoppelt. Andererseits umfasst Pflege die Beziehung zwischen Fachperson und betroffenen Patienten sowie deren An- und Zugehörigen (Huber, 2019; Käppeli, 1998; Roy, 2009; Watson, 1985). Gerade die Beziehung zwischen Patientinnen und Pflegefachpersonen ist essenziell zur Erkennung der aktuellen Gesundheitssituation bzw. der Problemstellungen, Bestimmung und Umsetzung von angepassten Pflegeinterventionen unter Einbezug und Berücksichtigung der medizinischen Gegebenheiten sowie neuer forschungsbasierter Kenntnisse (Pepin et al., 2010). Pflege kann definiert werden als Ziel, Personen mit Gesundheitsproblemen zu befähigen, den Alltag mit dieser Situation zu meistern (Butts & Rich, 2011; Donaldson, 2002). Pflege umfasst also neben der Umsetzung und Unterstützung der medizinischen Behandlung auch die nötige passende Interaktion zwischen Fachpersonen und Patientinnen und Patienten.
Jean Watson, eine eminente Pflegewissenschaftlerin, definiert die Pflege folgendermassen: «Pflege versucht, die Menschen zu verstehen und wie diese mit Gesundheit und Krankheit umgehen.» (Freie Übersetzung nach Watson, 1985, S. 2). Das Verstehenlernen von Gesundheit und Krankheit sowie das damit verbundene menschliche Verhalten sind untrennbar miteinander verbunden (Watson, 1985, S. 2). Pflegefachpersonen haben somit den Auftrag, Gesundheitsförderung, Krankheitsprävention umzusetzen, erkrankte Personen zu pflegen und zu unterstützen sowie Wohlbefinden zu fördern (Watson, 1985, S. 7). Mit anderen Worten fokussiert die Pflege auf den Menschen als Ganzes in seinem/ ihrem jeweiligen Umfeld unter Einbezug der An- und Zugehörigen. Kommunikation, interpersonale Fähigkeiten, klinisches Wissen unter Berücksichtigung von ethischen Aspekten wie Respekt für die Person und die ethischen Prinzipien Autonomie, Gutes tun, nicht schaden und Gerechtigkeit sind zentral für die Pflege (Ferrell et al., 2015, S. 3).
Eine Pflegefachperson hat die Aufgabe, bei einer Person mit einem Gesundheitsproblem die Situation so ganzheitlich wie möglich zu erfassen. Dazu gehören die Bestimmung des aktuellen Gesundheitszustands, die Bedürfnisse der betroffenen Person, ihre Lebens- und Wohnsituation sowie die Identifikation von weiteren Personen, die involviert sind. Diese Angaben und das Wissen um die zugrunde liegenden Gesundheitsprobleme sowie deren Behandlung machen die umfassende Einschätzung einer Situation aus. Basierend darauf wird die Pflegefachperson auf neueste Kenntnisse gestützte Massnahmen identifizieren oder sogar entwickeln. Schliesslich wird die Pflegefachperson diese Massnahmen gemeinsam mit der betroffenen Person umsetzen und die An- und Zugehörigen einbeziehen. Um diese Aufgabe zu meistern, engagiert sich die Pflegefachperson in der Beziehungsarbeit zu den Patientinnen und Patienten.
Damit Pflegefachpersonen diesen Ansprüchen und Erwartungen gerecht werden, benötigen sie breit abgestütztes, fundiertes Wissen aus Pflege, Medizin, weiteren Naturwissenschaften wie Biologie, Geisteswissenschaften wie Psychologie und Soziologie (Butts & Rich, 2011; Donaldson, 2002; Ferrell et al., 2015; Pepin et al., 2010; Watson, 1985). Kenntnisse aus diesen Bereichen sind wichtig, um nicht nur die Bedürfnisse von Patienten zu erfassen, sondern auch die passenden Massnahmen umzusetzen. Ziel ist es, die Gesundheit zu fördern oder auch Krankheiten zu verhindern, ebenso wie Patientinnen im Umgang mit dem Gesundheitsproblem für den Alltag zu rüsten und sie dahingehend zu unterstützen. Entsprechend erfolgt die Ausbildung zur diplomierten Pflegefachperson nicht nur in der Schweiz auf der Tertiärstufe (Butts & Rich, 2011; Donaldson, 2002; Ferrell et al., 2015; Pepin et al., 2010; Watson, 1985).
Wertschöpfung in der Pflege
Gemäss Schröder und Tomanek (2012, S. 4) bestimmt eigentlich der Endnutzende den Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung: «Unter Wertschöpfung werden alle Aktivitäten bezeichnet, die den Wert eines Produktes oder einer Dienstleistung für den Kundennutzen mit den Haupteinflussfaktoren Zeit, Kosten und Qualität erzeugen.» Der Wert von Dienstleistungen umfasst hauptsächlich «immaterielle Güter. Die primären Wertschöpfungsprozesse finden in einem Büro oder beim Kunden selbst statt.» (2012, S. 4). Dienstleistungen im Sozial- oder Pflegebereich involvieren neben den Fachpersonen auch die Personen, die betreut und gepflegt werden. Somit besteht einerseits eine Art Gefälle zwischen den Fachpersonen, die basierend auf ihrer Ausbildung und ihrem Wissen die Arbeit durchführen, und den Menschen, denen die Dienstleistung angedeiht wird (Becke & Bleses, 2015). Häufig besitzen die Dienstleistungsempfangenden nicht dieselben Wissenshintergründe und Ausbildungen. Neben diesem Gefälle spielen die Interaktion sowie deren Qualität zwischen Fachpersonen und den Dienstleistungsempfangenden eine zentrale Rolle. Geht es nun um Fragen der Produktivitätssteigerung oder der besseren Wertschöpfung, wird der Arbeitsqualität oft weniger Bedeutung zugemessen. Dabei wird die Arbeitsqualität durch die Arbeitsbedingungen, die jeweiligen Strukturen und Arbeitsprozesse bestimmt (Becke & Bleses, 2015, S. 8). Um also erfolgreich die Arbeitsqualität zu steigern, sollten auch die Arbeitenden beigezogen werden gemäss Becke und Bleses (2015, S. 8).
Wertschöpfung als Begriff kommt aus der Ökonomie (Huber, 2019). Grundsätzlich umfasst Wertschöpfung in der Pflege die Zeit der Pflegefachperson bei den Patientinnen und Patienten und deren An- und Zugehörigen (Antinaho et al., 2017). In dieser Zeit führen Pflegefachpersonen vor allem Erhebungen durch, um die Gesundheits- und Lebenssituation sowie die Bedürfnisse zu erfassen. Ebenso werden Massnahmen umgesetzt und wiederum überprüft. Ein Hauptteil dieser Zeit ist neben der technischen Durchführung der Erhebungen und Massnahmen aberauch die Beziehungsarbeit.
Ein Beispiel zur Illustration
Eine ältere Patientin mit Herzinsuffizienz, sei sie im Spital oder zu Hause, benötigt Hilfe, um vom Bett aufzustehen und sich an den Tisch zu setzen. Die Pflegefachperson bereitet zunächst die Umgebung vor, stellt allfällige Hilfsmittel in Reichweite. Sie entfernt mögliche Hindernisse auf dem Weg vom Bett zum Tisch. Dann prüft sie mit der Patientin ihr Befinden, stellt die Herz- und Lungenfunktionen fest, schaut sich die Hautverhältnisse an und trifft entsprechende Massnahmen. Die flegefachperson hilft der Patientin auch, die Kleider zu richten, sodass ein Aufstehen möglich ist. Beim ersten Aufsitzen im Bett wird der Patientin schwindlig. Die Fachperson hilft ihr, sich wieder zurückzulegen und gibt ihr etwas Zeit zum Verschnaufen. Danach motiviert die Fachperson die Patientin für ein erneutes Aufstehen. Dieses Mal klappt es ganz gut. Die Patientin kann sich an den Bettrand setzen, die Schuhe anziehen und aufstehen und mit Unterstützung der Fachperson zum Tisch gehen. In der ganzen Zeit betreut die Pflegefachperson die Patientin mit unterstützenden Worten, fragt nach ihrem Befinden und geht auf die Ängste oder Befürchtungen ein, die geäussert werden. Während des Austausches und der Arbeit mit der Patientin überlegt die Pflegefachperson die besten Möglichkeiten für sinnvolle Lösungen. Nach dieser Arbeit dokumentiert die Pflegefachperson die Situation und notiert für ihre Mitarbeitenden nötige Hinweise, damit das nächste Aufstehen für die Patientin gut ablaufen kann. Schon nur diese Sequenz kann mehrere Minuten dauern.
Nicht nur das Medizinische steht in der Pflege im Vordergrund, sondern auch das zwischenmenschliche Engagement. Jedoch sind Beziehungsaspekte oder Gesundheitsförderung und Prävention sowie das Befähigen von anderen in der Ökonomisierung weniger zentral (Huber, 2019). Häufig ist die Bemessung der entsprechenden Ergebnisse erschwert, da zuverlässige Erhebungsformen fehlen. Dadurch ist es schwierig, den jeweiligen Arbeiten auch einen Wert zuzuordnen. Zudem benötigen die Pflegefachpersonen Zugang zu aktuellem Wissen, genügend Raum und Ruhe, um die Pflege passend für die jeweiligen Patientinnen und Patienten zu gestalten. Dazu gehören nicht nur die Planung des Pflegeprozesses, sondern auch die Berücksichtigung von verschiedenen Indikatoren, Risikofaktoren, aber auch Ein- und Austrittsplanung. Mit Letzterer sind oft auch Koordinationstätigkeiten verbunden wie Kontakte mit nachbetreuenden Institutionen (Cotie et al., 2024; Wan et al., 2025; Xiao et al., 2017).
Entsprechend müssen Arbeitsprozesse so gestaltet sein, dass Pflegefachpersonen möglichst den Grossteil ihrer Arbeitszeit für die Betreuung der Patienten verwenden können (Antinaho et al., 2017; Huber, 2019). Das Programm «Transforming Care at the Bedside» (Martin et al., 2007) fokussiert auf die Identifikation von unnötigen Arbeiten, Aktivitäten, die auch von anderen Fachpersonen erbracht werden können sowie die Einführung von digitalen Lösungen. Damit wurde bereits eine starke Verbesserung der Arbeitsprozesse der Pflege erreicht (Martin et al., 2007). Ähnlich gestalten sich die Lösungen durch Lean-Management-Formen (Antinaho et al., 2017). Jedoch gilt zu bedenken, dass die Pflege «35–40 Prozent der Behandlungs- und Betreuungskosten [ausmacht]. Jedoch werden diese Leistungen kaum dargestellt, da nicht abgerechnet. » (Djelid, 2015, in Huber, 2019, S. 130– 131). Grund für dieses Problem ist die aktuelle Abrechnungsart in der stationären Versorgung (Huber, 2019). Aber auch in der ambulanten Versorgung bestehen Probleme bei der Darstellung der Pflegeleistungen (Huber, 2019). Die Abrechnungsarten sind der Ökonomisierung des Gesundheitswesens geschuldet. Damit sollen ökonomische Prinzipien der Effizienz und Marktlogik auch im Gesundheitswesen angewendet werden (Huber, 2019, S. 124). Zwar können damit gut durchorganisierte Arbeitsabläufe erreicht werden. Das wiederum steht im Widerspruch zum Ziel und zur Aufgabe der Pflege, da in der ökonomischen Denkweise der Fokus auf die Beziehung oder eben auch die Koordinationsarbeiten nicht zentral ist (Huber, 2019). Durchorganisierte Arbeitsabläufe mit entsprechender Aufteilung auf unterschiedliche Fachpersonen führen zu mehr Fragmentierung, die bereits heute bei Patientinnen und Patienten negative Konsequenzen hat (Kohlen, 2019; Sigg, 2017). Bereits heute ist die Pflegearbeit stark verdichtet. Die Arbeit muss mit weniger Personal und in weniger Zeit durchgeführt werden. Arbeiten wie der Beziehungsaufbau, die Entwicklung von passenden Massnahmen, die auf die individuelle Patientensituation angepasst sind, oder auch nur schon der Austausch mit anderen Fachpersonen – aus Pflege, Medizin, oder anderen Bereichen – folgen nicht dem Optimierungsanspruch der Ökonomie (Huber, 2019). Diese Veränderungen bergen auch Gefahren. Pflegefachpersonen sind überarbeitet und abgelenkt. Damit steigt wiederum die Gefahr von Burn-out und der Wunsch, den Beruf vorzeitig zu verlassen. Aber es bestehen auch Risiken für die Patientinnen mit einer geringeren Pflegequalität bis hin zur Zunahme von Risiken für die Patientensicherheit (Hämmig, 2018; Huber, 2019; Peter et al., 2020).
Auf der anderen Seite haben die Patienten den Wunsch, so rasch wie möglich zu gesunden oder zumindest Wohlbefinden zu erreichen. Sie setzen alles daran. Ausserdem sehen sich die Patientinnen als Anspruchstellende, sind sie sich doch der monatlichen Prämienzahlungen für ihre Gesundheit sehr bewusst (Huber, 2019).
Schlussfolgerung
Die Pflege umfasst mehr als nur die Ausführung und Unterstützung von medizinischen Behandlungen. Es gehört auch die längerfristige Planung mit den Patientinnen und Patienten bezüglich Umgang mit dem Gesundheitsproblem im Alltag dazu. Je nachdem müssen An- und Zugehörige beigezogen werden oder auch nachgelagerte Betreuungsdienste. Die Fokussierung auf die Optimierung von Arbeitsabläufen vernachlässigt die Wichtigkeit der Beziehungsarbeit sowie der Koordination.
Damit Pflege ihre Wertschöpfung vollumfänglich ausschöpfen kann, sind Strukturbereinigungen nötig. Digitalisierung von administrativen Abläufen, Überprüfung der Dokumentation und Entfernung unnötig erhobener Parameter, systematischer
 Einbezug von Evidenz sowie Überprüfung von Tätigkeiten können dabei helfen,sofern sie denn auch die Bedürfnisse der Pflegearbeitaufnehmen und adäquat widerspiegeln. Mehr Austausch sowie Anerkennung unter den verschiedenen Fachpersonen ist nötig, damit die besten Massnahmen für die Patientinnen und Patienten getroffen werden. Zentral ist jedoch, dass eben die Wichtigkeit der Beziehungsarbeit anerkannt wird sowie der essenzielle Anteil der reflektierenden  Pflegearbeit für die Erarbeitung einer passenden Betreuung für die Patienten. In jedem Fall sind Pflegefachpersonen mit einer guten Ausbildung auf Tertiärstufe nötig, da die Herausforderungen nicht weniger werden. Pflegefachpersonen müssen reflektiert handeln und somit auch fähig sein, konzeptionell zu denken und zu handeln.
Die Umsetzung der Pflegeinitiative dahingehend mit Unterstützung durch die lancierte Studie SCOHPICA (Swiss Cohort of Healthcare Professionals and Informal Caregivers / Schweizer Kohorte der Gesundheitsfachkräfte und pflegenden Angehörigen) können dabei wichtige Anreize liefern.
Prof. Dr. Maya Zumstein-Shaha, Dozentin Berner Fachhochschule, Fachbereich Pflege
 
					 
					